11. efas-Fachtagung am 5./6.12.2013
„Geschlechterforschung in den Wirtschaftswissenschaften –quo vadis?“
Nach über 10 Jahren efas lag es auf der Hand, nicht nur eine inhaltliche Bestandsaufnahme vorzunehmen, sondern auch die Positionierung der Gender Studies in den Wirtschaftswissenschaften und innerhalb der Frauen und Geschlechterforschung zu diskutieren. Über 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen an den spannenden Vorträgen und anregenden Diskussionen teil.
Tove Soiland warf im ersten Vortrag einen geschichtlichen und philosophischen Seitenblick auf die Wirtschaftswissenschaften. Unter dem Titel: „Geschlechterforschung? – Wir brauchen eine feministische Kritik der politischen Ökonomie!“, forderte die feministische Theoretikerin die Rückbesinnung auf eine kritische Gesellschaftstheorie. Eine feministische Ökonomie bringe diese Probleme auf den Tisch und könne Anstöße geben, die Härten des ökonomischen Systems auszugleichen.
Hildegard Maria Nickel kritisierte die Marginalisierung der Geschlechterverhältnisse im wirtschaftswissenschaftlichen Diskurs. In ihrem Vortrag: „Geschlechterforschung und Gesellschaftskritik – Positionen und Diagnosen“ beleuchtete sie die geschlechter- und arbeitssoziologische Perspektive auf die Wirtschaftswissenschaften. Feminismus ist eine notwendige Perspektive in der Politik, so Nickel in ihrem Fazit. Denn die Ideen von Freiheit, Gleichheit und Solidarität richteten sich gegen Marginalisierung und Androzentismus. Ohne Demokratisierung von unten sei eine Revitalisierung von Feminismus allerdings nicht denkbar.
Nach einem Vortrag von Gertraude Krell zu den Forschungsschwerpunkten der efas-Mitglieder und der Entwicklung des Netzwerks wurde in zwei Panels über die Geschlechterforschung in den einzelnen wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen referiert. In der BWL sei – so Getraude Krell und Daniela Rastetter – diese als Kritik aus, in und an der BWL konzipiert, mit dem Ziel einer Veränderung nicht nur der BWL von innen heraus, sondern auch der Praxis in den Einzelwirtschaften und anderen Organisationen. In diesem Sinne verstünden sie Geschlechterforschung als Organisationsentwicklung und nicht als „Gegenlehre“ im Sinne einer „feministischen BWL“. Katrin Hansen kommentierte die Ausführungen von Gertraude Krell und Daniela Rastetter und kritisierte, dass die Geschlechterforschung, die in den Teildisziplinen Personal und Organisation stattfinde, auch die herrschenden Stereotype fixiere. Im zweiten Panel stellten Friederike Maier, Miriam Beblo und Norma Schmitt die Geschlechterforschung in der Volkswirtschaftslehre vor. Die ökonomische feministische VWL steht vor allem der starken Abstraktion des neoklassischen Paradigmas kritisch gegenüber. Besonders problematisch sei, dass dieses noch immer praktisch konkurrenzlos in der Lehre verbreitet wird, obwohl die moderne VWL in Theorie und Forschung sehr viel weiter sei. Es bestehe in der VWL eine wissenschaftliche Monokultur durch die Dominanz der Neoklassik, die einen Austausch mit anderen Disziplinen vermeide. Aus der Sicht von Gabriele Michalitsch, die das VWL Panel kommentierte, sollte das Geschlechterverhältnis von Macht und Herrschaft sowie die daraus entstehende Verknüpfung von Macht und Wissen – im Sinne von Foucault – im Mittelpunkt der Betrachtung in der VWL stehen.
Im Rahmen des Forschungsforums präsentierten unter der Moderation von Heidrun Messerschmidt sieben (Nachwuchs)Wissenschaftlerinnen über ihre aktuellen Projekte. Astrid Szebel-Habig schilderte ihre Bemühungen Unternehmen in einen wissenschaftlichen Ansatz zum Thema „Mit Mixed-Leadership an die Spitze“ einzubeziehen (Poster, Beschreibung). Unter der Fragestellung „Welche Kompetenzen benötigen Frauen für den Aufsichtsrat?“ erläuterte Karin Reichel eine Qualifizierungsbedarfsanalyse als Grundlage für ein Weiterbildungsprogramm (Poster). Sarah Lillemeier beschäftigt sich in ihrem Dissertationsprojekt mit den Mechanismen diskriminierender Arbeitsbewertungen (Poster, Beschreibung). Patricia Bliemeister untersucht im Rahmen ihrer Promotion die Frage, welchen Effekt die Geburt auf die Einkommensentwicklung selbständiger Frauen hat und stellte erste Ergebnisse vor (Poster, Beschreibung). Aus Österreich präsentierte Silvana Weiss geschlechterbezogene Analysen einer Online-Befragung zur Work-Life-Balance und den Karriereperspektiven von Nachwuchswissenschaftler/-innen (Poster, Beschreibung). Norma Schmitt stellte die Ergebnisse ihres gerade abgeschlossenen Projektes „Geschlechterstereotype in Arbeit“ (in Kooperation mit Miriam Beblo) vor (Poster, Beschreibung). Den Schluss bildete Janina Sundermeier mit ihrem Konzept zur Rolle des Geschlechts beim Zusammenhang zwischen erreichtem bevorzugten Kundenstatus und Kundenloyalität (Poster, Beschreibung).
Am zweiten Tag wurde feierlich der efas-Nachwuchsförderpreis an Philine Erfurt Sandhu (Freie Universität Berlin) für ihre Dissertation “Persistent Homogeneity in Top Management. Organizational Path Dependence in Leadership Selection“ verliehen. Mit ihrer Arbeit zeigt sie, warum auch bei gleichen Anteilen von Frauen und Männern auf Einstiegspositionen im oberen Management immer nur der gleiche Typ Mann ankommt – und warum dies so veränderungsresitent ist.
Die Abschlussdiskussion moderierte Ilona Ebbers. Die Teilnehmerinnen Tove Soiland, Karin Reichel, Gertraude Krell und Birgit Soete fassten die unterschiedlichen Ansätze und Positionen der Tagung zusammen und diskutierten untereinander sowie mit dem Publikum.
Soiland fragte, ob es noch eine Verbindung der Ökonomie zur feministischen Analyse gäbe. Aus der Sicht von Gertraude Krell existiert der „eine“ Feminismus nicht. Der Ansatz von efas sei – mit Foucault gesprochen – nicht der „eine große“ Widerstand, sondern eine Vielfalt kritischer Perspektiven als „Widerstandspunkte im Machtnetz“. Weiter wurde aus der Sicht der wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen argumentiert, dass in der ökonomischen Geschlechterforschung durch kontinuierliche Bemühungen der jeweilige Mainstream erreicht und verändert werden soll. Diese finden auf zwei Ebenen statt: Zum einen müssten die gesellschaftlichen Veränderungen stärker beachtet werden, zum anderen müsste die Methodenvielfalt noch klarer sichtbar werden. Die Geschlechterforschung in der VWL wolle nicht in den Mainstream sondern den Mainstream verändern! Es gehe darum den Autismus in der VWL, der in einer ausschließlichen Berücksichtigung der Neoklassik bestehe, aufzubrechen und zu einer kritischen Wissenschaft beizutragen. So existieren seit langer Zeit Bemühungen, Erkenntnisse aus der ökonomischen Geschlechterforschung in die Politikberatung einfließen zu lassen. Inwieweit dies gelingt und sich in konkreten Reformen manifestiert, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eindeutig beantwortet werden. Cornelia Schmidt und Patricia Bliemeister