Tagungsbericht efas Jahrestagung 2023

Am 1.12.2023 fand die 21. efas Fachtagung unter dem Titel „(K)eine Frage der Ökonomie? Gesundheits- und Pflegearbeit aus feministischer Perspektive“ statt. Besucht wurde die Tagung von ca. 60 Personen, darunter zwölf Vortragende.

Zur Eröffnung begrüßten die Präsidentin der HTW Berlin, Prof. Dr. Annabella Rauscher-Scheibe, und die stellvertretende Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte, Dr. Jette Hausotter, die Teilnehmenden. Anschließend führte Dr. Christine Rudolf, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von efas, in das Tagungsthema ein, wobei sie eindringlich auf die politische und ökonomische Dimension bei der Organisation von guter Pflege hinwies. Den Einführungsvortrag „Brüche im Versorgungssystem – zu wessen Lasten?“ hielt Dr.  Erika Sirsch (Universitätsmedizin Essen), der die Relevanz von guten (Arbeits-)Bedingungen für gute Pflege veranschaulichte.

Im ersten Block hielten Katharina Krause (Universität Tübingen), Ali Simon (LMU München) und Sabrina Mannebach (Hochschule Rhein-Waal) Vorträge zum Thema Transformative Care-Ethik als Lehre aus Corona. Gemeinsam arbeiten sie am Projekt „Corona und Care: Fürsorgedynamiken in der Pandemie (Co-Care)“, in dem sie das Spannungsfeld von Gesundheit, Arbeit und Geschlecht untersuchen. Unter Anderem beleuchten sie Gerechtigkeits- und Teilhabeaspekte von Care in der Corona-Pandemie. Vorgestellt wurde die qualitative Fallstudie „Reinigungsarbeit als Fürsorgearbeit“. Auch beschrieben wurde ‚critical securityals Teil der Sicherheitsethik im Kontext der Pandemie.

Im zweiten Block zum Thema Wert von Sorgearbeit trugen Prof. Dr. Miriam Beblo (Universität Hamburg), Dr. Christopher Osiander (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung), Dr. Monika Senghaas (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) und Franziska Baum (Universität Hamburg) vor. Es ging um Belastung, Entlohnung und Selbstständigkeit im Care-Sektor. Wir hörten Analysen aus der BIBB/BAuA-Erwebstätigenbefragung, Teilberichte aus der multimethodischen Studie „Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen im Gesundheitssektor“, die Ergebnisse einer qualitativen Studie zu Belastungsfaktoren und Ressourcen in der Alten- und Krankenpflege und eine Untersuchung der Rolle, Auswirkungen und Implikationen von (prekärer) Selbstständigkeit und Plattformmodellen in Bezug auf häusliche Pflege. Zwei der Vortragenden, Miriam Beblo und Franziska Baum, sind Teil des interdisziplinären Forschungsverbunds „Sorgetransformationen“.

Nach der Mittagspause fand die feierliche Verleihung des efas-Nachwuchsförderpreises 2023 an Julia Radlherr (Institut für Höhere Studien Wien) für ihre Masterarbeit „Formalising Unpaid and Unrecognised Informal Care: Experiences of Caregivers and Arising Implications in Austria“. Die Laudatio hielt Dr. Jette Hausotter. Das Thema ihrer Arbeit, eine Analyse von zwei österreichischen Modellprojekten, in denen pflegende Angehörige ihre Care-Tätigkeiten im Rahmen eines regulären, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses mit einem gemeinnützigen Träger leisten, passte inhaltlich sehr gut zum Tagungsthema und leistet einen relevanten Beitrag zur feministischen Forschung zu bezahlter und unbezahlter Arbeit in Privathaushalten, in den Fragen von sozialer Ungleichheit besonders präsent sind.

Der dritte Block bestand aus einer Podiumsdiskussion, die folgende Frage aufnahm: Wie können Sorgebeziehungen im häuslichen Kontext gelingen? Impulsvorträge hielten Lilly Schön (Zukunftsforum Familie e.V.) und Prof. Dr. Notburga Ott (Wir Pflegen! e.V.). Mit der Podiumsdiskussion sollte einen Dialog zwischen Theorie und Praxis ermöglichen, sowie die Möglichkeit geben, eine Betroffenenperspektive miteinzubeziehen. An der Diskussion waren Julia Radlherr und Franziska Baum beteiligt. Die Moderation übernahm Lena Böllinger (freie Journalistin und Dozentin). Thematisiert wurden die Ausgestaltung des Familiengelds (Pauschalbetrag oder Elterngeldlogik), gleichstellungspolitische Aspekte von Sorgearbeit und die Frage nach gerechter Verteilung von Pflege in Bezug auf Kostenübernahme und Geschlecht. Die Einbindung von Männern in die Sorgearbeit müsse durch zeitliche und finanzielle Anpassungen ermöglicht werden. Wichtiger als die Geschlechterverteilung sei jedoch die gesellschaftliche Verantwortungsübernahme. Klar ist: Pflege muss als gesellschaftliche Verantwortung statt als individuelle zu lösendes Problem angesehen werden. Kritisiert wurde die ‚Verunmöglichung von Sorge‘ und das Fehlen einer strukturellen Lösung, während die Pflege immer weiter ins Private verschoben wird. Als Gegenmaßnahme wurde vorgeschlagen, die Qualifikationsanforderungen zu reduzieren und/ oder niedrigschwellige Qualifikationsmöglichkeiten für die häusliche Pflege zu schaffen. Als auszubauende Option wurde die Tagespflege erwähnt, welche sowohl einen sinnvolleren Betreuungsschlüssel als auch die Möglichkeit zur Entlastung der pflegenden Angehörigen bieten würde. Anerkennung und (bessere) finanzielle Unterstützung seien ebenfalls notwendig.

Während der Pause bei Kaffee und Kuchen stellten Studierende des Seminars „Feministische Ökonomie in Theorie und Praxis“ an der HTW Berlin ihre Projekte für das laufende Semester als Poster vor. Viele Tagungsbesucher*innen nutzen die Gelegenheit, um mit den Studierenden in einen fachlichen Austausch treten.

Im Anschluss fand das efas-Forschungsforum statt, wo die dieses Jahr für den efas-Nachwuchsförderpreis Nominierten die Gelegenheit haben, ihre Abschlussarbeiten vorzustellen. Pia Molitor (Fraunhofer Institut) präsentierte die Ergebnisse ihrer Masterarbeit „The Occupational Gender Wage Gap on the Example of Economists”. Aufgrund von Krankheit, konnte Marie Lena Muschik (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) ihre Arbeit: „Gender Gaps in Matching in the German Apprenticeship System“ leider nicht vorstellen.

Mit dem abendlichen efas-Netzwerktreffen im Restaurant endete eine anregende Tagung. Wir danken allen Vortragenden und Teilnehmenden und freuen uns auf die nächste efas-Fachtagung!

 

Bericht von Rosa Weaver

efas Forschungsforum für Nachwuchswissenschaftler*innen

Call: efas Forschungsforum für Nachwuchswissenschaftler*innen

Auf der 21. efas-Jahrestagung 2023 : „Verteilungs- und Geschlechtergerechtigkeit im Gesundheitssystem: Feministische Analysen und Zukunftsperspektiven“, am 1. Dezember 2023 an der HTW Berlin

Auch dieses Jahr möchten wir den wissenschaftlichen Nachwuchs ganz herzlich dazu
einladen, über aktuelle Forschungsaktivitäten zu berichten. Das Forschungsforum bietet Nachwuchswissenschaftler*innen die Plattform, ihre (laufenden oder abgeschlossenen) Forschungsaktivitäten im Bereich der Geschlechterforschung in den Wirtschaftswissenschaften oder daran angrenzenden Disziplinen vorzustellen.

Alljährlich werden im Rahmen des Forschungsforums Arbeiten aus der feministischen Ökonomie und aus unterschiedlichen Gebieten der Wirtschaftswissenschaften präsentiert. In den Forschungsarbeiten sollen Ansätze der Frauen- und Geschlechterforschung an zentraler Stelle Berücksichtigung finden. Zudem sollen sie sich kritisch mit dem Forschungsstand sowie dem aktuellen wissenschaftlichen bzw. politischen Diskurs zum Thema auseinandersetzen. Alle Interessierten bitten wir, sich den 1. Dezember für die jährliche efas-Fachtagung vorzumerken.

Wir bitten alle Interessierten bis spätestens 30. September 2023 ein Abstract über den Inhalt
des Forschungsprojekts von maximal einer Seite als pdf-Datei via Email an die efas-
Geschäftsstelle zu senden.

 

 

CALL: Beiträge für die 20. efas-Fachtagung

CALL

Beiträge zur 20. efas-Fachtagung am 09. Dezember 2022

Krisen, soziale Verwerfungen und Geschlechtergerechtigkeit: Wie gut ist das bundesdeutsche System sozialer Sicherung aufgestellt? 

Wie müsste eine soziale Wirtschaftspolitik aussehen, in der Frauen nicht zu den Verliererinnen der Krisen der Gegenwart werden? Die Corona-Pandemie ist nur das jüngste Beispiel, bei dem eine Krise zu einem Katalysator von Geschlechterungerechtigkeit wurde. Die weiteren aktuellen Krisen lassen erahnen, dass sich Ungleichheiten verhärten und die bestehenden sozialpolitischen Maßnahmen nicht darauf vorbereitet sind: Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine sind in ihren unterschiedlichen Formen auch in Deutschland bemerkbar. Unter den Preissteigerungen leiden insbesondere die niedrigeren Einkommensgruppen und Grundsicherungsempfänger*innen. Und es ist absehbar, dass die neuen Dimensionen von Klima- und Energiekrise diese Belastungen noch verstärken. Zudem dauert die Corona-Pandemie an und das Ausmaß ihrer sozialen Folgen auf den erreichten Stand an Geschlechtergerechtigkeit lässt sich weiterhin nur schwer abschätzen.

Quasi antikonjunkturell zur aktuellen, von ökonomischen und sozialen Unsicherheiten geprägten Situation sind mit der neuen Regierung auch einige sozial- und geschlechterpolitische Verbesserungen versprochen worden. Werden diese mit den aktuellen Krisenereignissen hinfällig, bevor sie auch nur das Stadium des Konzeptionellen erreicht haben? Wo hat der Staat überhaupt Steuerungsmöglichkeiten, um die Auswirkungen der Krisen auf Frauen auszugleichen? Und welche aus einer Geschlechterperspektive relevanten Veränderungen innerhalb der verschiedenen Säulen der sozialen Sicherung sind bereits auf den Weg gebracht worden?

Vortragsbeiträge der efas-Tagung sollten sich deshalb u.a. mit folgenden Fragen beschäftigen:

Wie könnte aktuell eine zukunftsfähige und geschlechtergerechte soziale Sicherung gestaltet werden? Wie sollten die verschiedenen Säulen der Sozialversicherung ausgestaltet werden, damit sie das Ziel der Zukunftsfähigkeit und Geschlechtergerechtigkeit unterstützen? Welche Umgestaltungen innerhalb der verschiedenen Säulen der Sozialversicherung sind angesichts der benannten Krisen aus feministischer Sicht sinnvoll?

Welche Bilanz kann aus den ersten Monaten der Ampel-Regierung gezogen werden? Welche angekündigten oder bereits durchgeführten sozialpolitischen und ökologischen Maßnahmen wurden mit welchen Folgen für die Zukunftsfähigkeit und die Geschlechterverhältnisse umgesetzt? 

Das Ökonominnen-Netzwerk efas lädt alle Interessierten dazu ein, Vortragsideen für die 20. efas-Fachtagung am 09. Dezember 2022 einzureichen. Die Vorträge sollen sich mit einer Analyse des Systems sozialer Sicherung in Deutschland mit Fokus auf ihre zukunftsfähige und geschlechtergerechte Ausgestaltung befassen. Wir freuen uns sowohl über Vorträge, die abgeschlossene Forschungsprojekte präsentieren, als auch über einen Einblick in laufende Projekte in diesem Themenbereich.

Wir bitten alle Interessierten, ihre Vorschläge für Beiträge innerhalb dieses Themengebietes bis zum 15. September einzureichen. Bitte senden Sie ihre Vorschläge via E-Mail an die efas-Geschäftsstelle (max. eine Seite als pdf-Datei).