Bericht von der 16. efas-Fachtagung „Frauen global: Perspektiven der feministischen Ökonomie“
Am 7. Dezember 2018 diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 16. efas-Fachtagung an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin wichtige Beiträge und Erkenntnisse zu Geschlechtergerechtigkeit und nachhaltiger Teilhabe von Frauen an weltweiten ökonomischen Entwicklungen. Es wurde dabei besonders ein Blick in den Globalen Süden geworfen und die Frage diskutiert, wie Erkenntnisse aus diesem Teil der Welt auch die Forschung in Deutschland weiterbringen kann.
In diesem Jahr stand die Jahrestagung des Ökonominnennetzwerks unter der Überschrift „Frauen global: Perspektiven der feministischen Ökonomie“. Nach der Begrüßung durch Klaus Semlinger, Präsident der HTW Berlin, und Friederike Maier, Gründungsmitglied von efas, eröffnete Diane Elson die Tagung mit ihrer Keynote zum Thema „Gender and Development: Contributions of Feminist Economics“. Sie machte deutlich, dass eine wachsende Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt nicht zu einer Doppelbelastung führen dürfe. Um zu verhindern, dass Frauen durch häusliche und berufliche Tätigkeiten zusätzlich ausgebeutet werden, müsse unbezahlte Haushalts- oder Pflegearbeit zunächst wahrgenommen, reduziert und gerecht umverteilt werden („recognise, reduce, redistribute“). Nur die Schaffung angemessener und gerechter Erwerbsarbeit („decent jobs“), so die Erkenntnis, trägt dazu bei, dass Frauen von einer Teilhabe am Arbeitsmarkt profitieren können.
Im zweiten Schwerpunktvortrag der Tagung stellte Inmaculada Martínez-Zarzoso unter dem Titel „Women’s Empowerment and Economic Development: Bright Spots in the MENA Region“ aktuelle Ergebnisse ihrer Forschung vor. Zunächst macht der Blick auf geschlechtsspezifische Unterschiede verschiedener Entwicklungsländer deutlich, dass die MENA-Region – Middle East and North Africa (Länder des Mittleren Osten und Nordafrikas, wie u.a. Algerien, Ägypten, Libanon, Marokko, Tunesien oder Saudi Arabien) keinesfalls einen Lichtblick darstellt: Sowohl in der Erwerbsbeteiligung von Frauen (je nach Land nur zwischen 21 und 39%; zum Vergleich liegt der OECD-Durchschnitt bei 75%) als auch in der Frauenerwerbslosigkeit bildet die Region im weltweiten Vergleich das Schlusslicht. In ihrer aktuellen Forschung sucht Martínez-Zarzoso nach Zusammenhängen zwischen wirtschaftlichem Wachstum und der wirtschaftlichen Teilhabe von Frauen. Dazu stellte sie das von ihr verwendete Modell vor, welches die Leistungsfähigkeit von Firmen unter weiblicher Führung bzw. in weiblichem Besitz im Vergleich zu männlich dominierten Betrieben untersucht. Die Ergebnisse zeigen eine sehr große Heterogenität innerhalb der Region und der betrachteten Länder. Es bedarf also weiterer Forschung, bspw. ergänzt um Fallstudien.
Im dritten Beitrag beschäftigte sich Christine Bauhardt mit dem Thema „Learning from the South: Post-Growth as Post-Development in the Global North“. Es moderierte Ulrike Knobloch. Bauhardt fokussierte auf Entwicklungen im landwirtschaftlichen Sektor und machte einmal mehr deutlich, dass (wirtschaftliche) Entwicklung nicht geschlechtsneutral ist. Auf der Suche nach Alternativen zu Kapitalismus und Wachstumsimperativen stellt das Konzept der feministischen Ökologie typische (land-)wirtschaftliche Alltagsaktivitäten von Frauen wie Hausarbeit, Care- und Sorgearbeit oder Subsistenzlandwirtschaft in den Vordergrund. Diese bleiben zum großen Teil unsichtbar, tragen jedoch essentiell zu einem „guten Leben für alle“ bei. Sie sind so fundamentale Bestandteile von „Buen vivir“, verstanden als zentrales Prinzip einer alternativen und wachstumskritischen Vision des Degrowth, die ein „gutes Leben für alle“ im Einklang mit natürlichen Ressourcen in den Vordergrund stellt. Dazu gehören Reichtum an Zeit, sorgsame Beziehungen und Wohlbefinden sowie die regionale Versorgung anstelle von Anhäufung materiellen Reichtums und dem Überfluss an Gütern. Wichtig für die Ernährungssicherheit (food sovereignity) in Ländern des globalen Südens sind dabei die Kapazitäten und das Wissen um die Zubereitung von Nahrung. Zentrale Prinzipien wie Vorsorge, Kooperation und Solidarität sowie ein grundsätzlicher Wandel der konsumfokussierten Lebensweise können und sollten auch in den Ländern des globalen Nordens als Basis für ein gutes Leben dienen.
Neben dem Schwerpunktvorträgen präsentierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch in diesem Jahr wieder spannende Ergebnisse aktueller Projekte im Forschungsforum, das von Camille Logeay moderiert wurde. Im ersten Teil waren das drei Forschungsarbeiten, die sich mit der Situation von Frauen im globalen Süden und damit zusammenhängenden Fragen beschäftigen. Corinna Denglers Forschungsprojekt mit dem Titel „What about the Global South? Towards a Feminist Decolonial Degrowth Approach” betrachtete feministische Perspektiven auf den Degrowth-Diskurs. Dabei versuchte sie der Frage nachzugehen, inwieweit Postwachstum im globalen Norden eine Voraussetzung für globale Umwelt- und Geschlechtergerechtigkeit ist. Lea Molina Caminero und Jörn Schirok berichteten über weibliche (Arbeits-)Migration in Südafrika aus einer translokalen Perspektive. Mithilfe qualitativer Interviews arbeiteten sie Ursachen für Migrationsbewegungen heraus und zeigten auf, dass Frauen traditionelle und existierende translokale Netzwerke nutzen, sich aber parallel neue weibliche Netzwerke herausbildeten, die ihren eigenen Bedürfnissen besser entsprechen. Den Abschluss der ersten Session bildete Lilly Schön mit ihrem Vortrag über „Gewalt als ökonomische Frage der argentinischen Frauenbewegung“. Im Rahmen ihrer Forschung konnte sie gestützt auf Diskurse aus der argentinischen Frauenbewegung verdeutlichen, dass Gewalt gegen Frauen auch als ökonomische Gewalt, beispielsweise in Form von Austeritätspolitik, verstanden wird und dass wirtschaftliche Ungleichheit Frauen zudem in einen Zustand erhöhter Verletzbarkeit versetzt, der ihnen den Ausweg aus Gewaltsituationen erschwert.
Der zweite Teil des Forschungsforums fand in diesem Jahr in Form einer Posterpräsentation statt und erlaubte einen breiteren Fokus der vorgestellten Arbeiten. In der von Christine Rudolf moderierten Runde stellte zunächst Suse Brettin vor, welchen Einfluss die unterschiedlichen Formen der Nahrungsmittelversorgung über Plattformen auf nachhaltige Ernährungspraktiken haben. Christina Klenners Forschungsprojekt zur Aufdeckung blinder Flecken der Ursachenanalyse des Gender Pay Gaps mithilfe des comparable-worth-Ansatzes konnte zeigen, dass vergleichbare Arbeitsanforderungen und -belastungen von Frauen und Männern nicht gleich entlohnt werden. Stefanie Brenning sprach über Strategien zur Gewinnung von Frauen für MINT-Studiengänge und verdeutlichte, dass die existierenden Evaluationsstudien Wirksamkeit und Einfluss von Mentoring-Programmen auf die Frauenanteile nur unzureichend messen. Im Anschluss präsentierten Ulrike Richter und Sünne Andresen Verfahren und Ergebnisse der Überprüfung der Entgeltgerechtigkeit an der HTW Berlin. Der Beitrag von Theresa Neef untersuchte historische Ursprünge und Faktoren des Gender Pay Gap in Deutschland sowie Strategien zur Erreichung von Geschlechtergerechtigkeit im Vergleich zu anderen europäischen Staaten und den USA im Zeitraum von 1873-2016.
Wie in jedem Jahr rundete als besonderer Höhepunkt die feierliche Verleihung des efas-Nachwuchsförderpreises die efas-Tagung ab. Die diesjährige Preisträgerin Angelika Holzmaier präsentierte ihre Masterarbeit „The effects of emergency contraception on women’s socioeconomic status: empirical evidence from European dataHolzmaier”. Die Laudatio hielt Miriam Beblo. In der nächsten Ausgabe des efas-Newsletters wird Holzmaier die Gelegenheit haben, wichtige Aspekte ihrer Arbeit vorzustellen.
Am Ende der diesjährigen Tagung gab es wie immer die Möglichkeit zu weiteren Diskussionen und dem informellen Austausch neuer spannender Forschungsimpulse – zur nächsten efas-Tagung am ersten Freitag im Dezember (6.12.2019) wird bereits herzlich eingeladen. Save the date!
Jeannette Trenkmann